Im Jahr 1939, als die Nationalsozialisten und Sowjets in Polen einmarschierten und es teilten, fanden sich viele polnische Bürger unter der sowjetischen Besatzung wieder. Nach einer kurzen anfänglichen Schockstarre beginnt im Frühling 1940 eine weitere der unzähligen stalinistischen konzertierten Vertreibungen, denen unter anderem auch die Juden zum Opfer fallen.
Eines ihrer Opfer war Julius Margolin, ein jüdischer Philosoph und Schriftsteller, der in Palästina geboren wurde und in Pinsk lebte, heute eine Stadt in der Republik Belarus. Er war wegen familiärer Angelegenheiten in Polen, doch eine Rückreise zu Frau und Kind wurde ihm verwehrt, denn die sowjetischen Behörden betrachteten polnische Dokumente als gegenstandslos, ehemalige Polen als sowjetische Staatsbürger und im aufgelösten ehemals polnischen Staatsgebiet Verbliebene als Kriminelle, Dissidenten und Aussätzige – also Rechtlose.
“Land of the Zeks” ist ein bemerkenswertes Werk. Das Buch bietet einen tiefgreifenden Einblick in die schreckliche Realität der politischen Gefangenen in den sowjetischen Arbeitslagern, die als “Gulags” bekannt sind. Margolins Erfahrungen als Häftling in diesen Lagern während der stalinistischen Ära prägen den packenden Bericht und verleihen ihm eine außergewöhnliche Authentizität.
9 Jahre überlebt der Autor Zwangsarbeit und Terror, entrinnt nur durch glückliche Umstände den Lagern noch lebend, um schon wenig später in Israel seine Geschichte niederzuschreiben. Eine Geschichte, für die sich 5 Jahre nach Kriegsende allerdings kaum noch jemand erwärmen kann, weder in Deutschland, noch in England oder den Vereinigten Staaten. Das Buch erscheint schliesslich 1949 zuerst in Frankreich. Es sollte aber dennoch noch 25 Jahre dauern, bis dem Thema durch die Veröffentlichung von Alexander Solschenizyns “Der Archipel Gulag” im Jahr 1973 breitere Aufmerksamkeit zuteil wurde.
Margolins Schilderungen enthüllen jedoch nicht weniger eindrucksvoll die grausame Welt der Zwangsarbeit, Unterdrückung und Entmenschlichung, der die politischen Häftlinge ausgesetzt waren. Er beschreibt vielmehr detailliert die unmenschlichen Bedingungen, die sie ertragen mussten, sowie die täglichen Herausforderungen, Hoffnungen und die unbezwingbare menschliche Stärke, die inmitten dieser extremen Umstände aufblitzte. Durch eine weitgehende Auslassung politischer Betrachtungen scheint mir Margolins Buch in Teilen sogar lesbarer als “Der Archipel Gulag“, wenngleich beide Autoren in keiner Bibliothek fehlen dürfen.
Mit seiner eindringlichen Prosa und seinem tiefen Verständnis für die menschliche Natur vermittelt Margolin nicht nur physische Qualen, sondern auch emotionale und psychologische Auswirkungen, die die Lager auf die Gefangenen, ganze Generationen von Menschen und die Gesellschaft hatten. Seine Worte zeichnen ein bewegendes Porträt der Opfer, die trotz der brutalen Realität ihre Würde und ihren Überlebenswillen bewahrten.
“Land of the Zeks” ist nicht nur ein historisches Dokument, sondern auch eine Mahnung, die Erinnerung an die Opfer und die Schrecken der sowjetischen Repression lebendig zu halten. Julius Margolins Buch ist ein aufrüttelnder Appell, sich der dunkelsten Kapitel der Geschichte bewusst zu sein und die Werte der Freiheit zu schätzen.
Dieses Buch ist eine unverzichtbare Lektüre für jeden, der tiefer in die Geschichte der sowjetischen Unterdrückung eines Russlands der vielen Völker eintauchen möchte, und auch für jene, die die bedeutsame Stimme eines Überlebenden hören möchten, der den Mut hatte, die Wahrheit über eine düstere Epoche zu enthüllen – auch wenn politische Umstände seiner Zeit ihn ins Abseits stellten.