Insbesondere an Schulen wird heute deutlich, wie Traumata die schulische Leistung, vormals Verhalten der Schüler beeinflussen. Immer häufiger werden die Konsequenzen dieser Traumata unter neuen Modenamen zusammengefasst, die dann – so ein altes deutsches Sprichwort – als neue Säue durch das Dorf gejagt – um dann (oft ausschließlich) medikamentös behandelt zu werden. Dabei ist es primär von großer Bedeutung, zunächst einen Einblick in die Ursprünge und die Heilung von Traumata zu erhalten.
Eine grosse Hürde stellt allerdings immer noch die weit verbreitete Vorstellung dar, Traumata wären ausschliesslich Folgen der Einwirkung konzentrierter und grober physischer oder psychischer Gewalt. Die wissenschaftlichen Erkenntnisse gehen jedoch wesentlich tiefer. Längst ist auch klar empirisch nachgewiesen, wie Stress und ungünstige Handlungsmuster der Eltern sich auf das physische und physische (!) Wohlbefinden eines Kindes bis in das Erwachsenenalter auswirken, wie Traumata an Kinder weitergegeben werden – Teile der seriösen Wissenschaft sprechen sogar von der Möglichkeit einer Vererbung von Traumata von einer Generation zur nächsten. Ich persönlich als Nachkomme von vertriebenen Ostpreussen in zweiter Generation halte das aus eigener Erfahrung zwar für generell gut möglich, kann das aber aufgrund fehlender Expertise nicht abschliessend beantworten, lediglich interessehalber hier anführen.
Genauso werden auch Süchte bis heute generell falsch verstanden. Suchtverhalten sind bei allesamt allen Süchten zuallererst Verhaltensmechanismen, die dem Individuum temporäre Erleichterung in Form einer Befriedigung verschaffen, ihm aber langfristig negative Konsequenzen bescheren, die es aber nicht mehr oder nur sehr schwer aus eigenem Antrieb aufgeben kann. Denn Angst hat das Individuum in der Regel nicht etwa vor den Konsequenzen dessen, dem es sich im Suchtverhalten mehr oder weniger zügellos hingibt, sondern vor den Verlust- und Entzugserscheinungen, denen es im täglichen Leben ausgesetzt ist. Auch die Auswirkungen des Internets und des Mobiltelefons müssten in diesem Zusammenhang diskutiert werden.
Es handelt sich um ein sensibles Thema, mit dem man sich zu allererst ausschliesslich auf individueller Ebene auseinandersetzen kann. Eine Mehrzahl von uns kann auf fähige Therapeuten einerseits aufgrund ihrer geringen Anzahl und andererseits aus finanziellen Gründen nicht zurückgreifen. Allerdings haben wir im 21. Jahrhundert Zugriff auf die entsprechende Literatur und damit Erkenntnisse aus Wissenschaft und Forschung.
In diesem Ordner findest du 5 Bücher zum Thema, die ich persönlich sehr empfehle:
Trauma – Google Drive
- Gabor Maté – Scattered Minds – The Origins and Healing of Attention Deficit Disorder (1999, Knopf Canada)
- Bessel A. van der Kolk – The Body Keeps the Score_ Brain, Mind, and Body in the Healing of Trauma (2015_2014, Penguin)
- Peter A. Levine – Waking the Tiger – Healing Trauma (1997, North Atlantic Books)
- Richard C. Schwartz – No Bad Parts – Healing Trauma and Restoring Wholeness with the Internal Family Systems Model (2021, Sounds True)
- Bruce Perry – The boy who was raised as a dog (2006, Basic Books)
Ich weiss nicht, wie lange ich die Bücher hier im Blog halten kann. Obwohl einige ein abgelaufenes Copyright haben, empfehle ich dir, bei Interesse den Link oben zu benutzen und alle Werke sofort herunterzuladen, bevor ich den Blogpost wieder löschen muss. Die Lektüre der Werke lohnt sich in jedem Fall!
Bei fast allen der 5 Bücher handelt es sich um die originalsprachlichen Ausgaben, denn ich bevorzuge, Bücher in der Muttersprache des jeweiligen Autors zu lesen. Es existieren jedoch bei all den Autoren Übersetzungen in bis zu 30 Sprachen, die du einfach über Google recherchieren kannst,
Wenn du unsicher bist, was du zuerst lesen möchtest, hier ein paar kurze Notizen zu jedem einzelnen Buch und Autor:
- Gabor Maté – “Scattered Minds: The Origins and Healing of Attention Deficit Disorder” (1999, Knopf Canada)
Gabor Maté, ein angesehener Arzt und Autor, beleuchtet in seinem Werk die Verbindung zwischen Trauma und Aufmerksamkeitsdefizitstörung (ADHS). “Scattered Minds” bietet Einblicke in die komplexen Ursprünge von ADHS und zeigt, wie Traumata in schulischen Kontexten die Aufmerksamkeit und das Verhalten der Schüler beeinflussen können. - Bessel A. van der Kolk – “The Body Keeps the Score: Brain, Mind, and Body in the Healing of Trauma” (2015/2014, Penguin)
Bessel A. van der Kolk, ein renommierter Psychiater und Traumaexperte, verdeutlicht in seinem Buch die Auswirkungen von Traumata auf den Körper, den Geist und das Gehirn. In einer Zeit, in der Schulen vermehrt auf traumasensible Ansätze setzen, bietet dieses Buch wertvolle Einblicke in innovative Therapieansätze und Selbsthilfemethoden. - Peter A. Levine – “Waking the Tiger: Healing Trauma” (1997, North Atlantic Books)
Peter A. Levine, ein Pionier auf dem Gebiet der Traumabehandlung, zeigt in seinem Buch, wie der Umgang mit Traumata durch den Körper ermöglicht wird. Diese Erkenntnisse sind besonders relevant für Lehrer und Pädagogen, die in der Schule mit traumatisierten Schülern arbeiten. - Richard C. Schwartz – “No Bad Parts: Healing Trauma and Restoring Wholeness with the Internal Family Systems Model” (2021, Sounds True)
Richard C. Schwartz präsentiert das “Internal Family Systems Model” (IFS), das auf die Heilung von Traumata und die Wiederherstellung der inneren Ganzheit abzielt. Dieses Buch kann für Schulpsychologen und Berater wertvolle Werkzeuge zur Unterstützung traumatisierter Schüler bieten. - Bruce Perry – “The Boy Who Was Raised as a Dog” (2006, Basic Books)
Dr. Bruce Perry, ein Kinderpsychiater, veranschaulicht anhand bewegender Geschichten von traumatisierten Kindern, wie Traumata das schulische Leben beeinflussen können. Seine Arbeit hilft, ein besseres Verständnis für die Bedürfnisse traumatisierter Schüler zu entwickeln.
Ich halte diese Bücher in ihrer Gesamtheit für sehr interessant und lesenswert. Und ich schliesse, obwohl ich Zitate zumeist vermeide, und im Wissen darum, dass das Zitat weit über das Thema des Artikels hinausgeht, mit Nietzsche: „Und wenn du lange in einen Abgrund blickst, blickt der Abgrund auch in dich hinein.”